Insektenstich – Gefährlich unterschätzt: Erste Hilfe bei Insektenstichen mit allergischer Reaktion
Insektenstich im Sommer: Für manche harmlos – für andere lebensgefährlich
Ein Insektenstich im Sommer? Für viele bloß unangenehm. Doch für rund 1,2 bis 3,5 Prozent der Menschen in Deutschland kann ein einziger Stich zum medizinischen Notfall werden. Sie reagieren allergisch auf Insektengift. Damit zählen allein in Deutschland 1 bis 3 Millionen Menschen zu Insektengiftallergikern. In besonders schweren Fällen löst der Stich eine sogenannte Anaphylaxie aus: eine akute, potenziell lebensbedrohliche Überreaktion des Immunsystems, die ohne schnelle Hilfe tödlich enden kann. Experten gehen jährlich deutschlandweit von 10 bis 20 Todesfällen durch Insektengiftallergie aus, wobei die Dunkelziffer sehr wahrscheinlich wesentlich höher ist.
Aber auch viele Einzelstiche in den Hals- und Kopfregion, können für Nichtallergiker lebensgefährlich sein. Was dabei im Körper passiert, ist dramatisch: Innerhalb weniger Minuten schüttet der Organismus große Mengen Histamin und anderer Entzündungsstoffe aus. Blutgefäße weiten sich stark, der Blutdruck fällt ab, die Atemwege können sich verengen – im schlimmsten Fall kommt es zu einem Kreislaufstillstand.
Die gute Nachricht: Wer die Symptome kennt und weiß, wie man reagiert, kann sich oder anderen das Leben retten.
Ab wann ist ein Insektenstich lebensbedrohlich?
Typische Reaktionen auf einen Insektenstich
Nicht jeder Insektenstich ist gefährlich – aber manche können es werden. In der Regel verursachen Bienen-, Wespen- oder Mückenstiche lediglich harmlose lokale Reaktionen: Die Haut rund um die Einstichstelle rötet sich, juckt und schwillt leicht an. Diese Reaktion ist unangenehm, klingt aber meist innerhalb von 24 Stunden ab und ist medizinisch unbedenklich.
Große lokale Reaktion – schon riskant?
Stärker, aber noch lokal begrenzt ist die sogenannte „große lokale Reaktion“: Hier kann die Schwellung mehr als 10 cm Durchmesser erreichen und über mehrere Tage anhalten. Besonders bei Stichen im Gesicht oder Halsbereich kann das unangenehm und sogar riskant werden, etwa durch Druck auf die Atemwege – ist aber in der Regel keine systemische allergische Reaktion. In diesem Fall ist aber Vorsicht geboten, und es sollte ein Arzt oder eine Ärztin zur Abklärung einer Insektenstichallergie aufgesucht werden.
Allergische Reaktion auf Insektenstiche: Was passiert im Körper?
Was passiert bei der ersten Begegnung?
Beim ersten Stich kommt der Körper zum ersten Mal mit dem Insektengift (Allergen) in Kontakt. Dabei erkennt das Immunsystem die Fremdstoffe und bildet spezielle IgE-Antikörper gegen die Bestandteile des Gifts. Diese heften sich an bestimmte Immunzellen (Mastzellen und Basophile), die überall im Körper verteilt sind – vor allem in Haut, Atemwegen und Darm.
→ Diese erste Reaktion verläuft meist mild oder sogar völlig unbemerkt.
Und beim nächsten Insektenstich?
Wenn der Betroffene ein zweites Mal gestochen wird – womöglich erst Tage, Wochen oder Jahre später – erkennt das Immunsystem das Allergen wieder. Die vorher gebildeten IgE-Antikörper lösen nun eine Kettenreaktion aus:
Mastzellen werden aktiviert.
Sie schütten große Mengen Histamin und andere Entzündungsstoffe aus.
Dadurch kommt es zu den typischen Symptomen: Quaddeln, Schwellungen, Atemnot, Kreislaufprobleme – je nach Schweregrad.
→ Erst ab diesem Moment kann es zur echten allergischen Reaktion – und schlimmstenfalls zur Anaphylaxie – kommen.
Anaphylaxie nach Insektenstich – wenn der ganze Körper reagiert
Die vier Schweregrade der Anaphylaxie
Schweregrad I – Haut und Schleimhäute
Hautsymptome wie Juckreiz, Rötung, Quaddeln (Nesselsucht)
Leichte Schwellungen (z. B. Augenlider, Lippen)
Wärmegefühl, Unruhe
Schweregrad II – zusätzlich Kreislauf oder Magen-Darm betroffen
Übelkeit, Erbrechen, Durchfall
Kreislaufbeschwerden: Schwindel, Zittern, beschleunigter Puls
Leichte Atemprobleme oder Engegefühl in der Brust
Schweregrad III – akute Atem- oder Kreislaufprobleme
Massive Atemnot durch Schwellung der Atemwege (Kehlkopfödem)
Krampfartige Bauchschmerzen, Inkontinenz
Blutdruckabfall bis hin zum Kreislaufkollaps
Schweregrad IV – lebensbedrohlicher Notfall
Bewusstlosigkeit
Atemstillstand
Kreislaufstillstand
→ Dies ist ein medizinischer Notfall, der sofortige Wiederbelebungsmaßnahmen (HLW) und den Einsatz eines Adrenalin-Autoinjektors erfordert.
Erste Hilfe bei einem allergischen Insektenstich
Sofortmaßnahmen: Was zu tun ist
Wenn ein Insektenstich mehr ist als nur eine rote Schwellung, zählt jede Minute. Hier sind die wichtigsten Erste-Hilfe-Schritte – verständlich erklärt:
1. Stachel sofort entfernen
Nur bei Bienenstichen relevant (Wespen hinterlassen keinen Stachel).
Wichtig: Nicht mit zwei Fingern herausziehen – das könnte mehr Gift in die Wunde drücken.
Besser: Mit dem Fingernagel oder einer Bankkarte vorsichtig seitlich wegschieben oder abkratzen.
2. Lokale Behandlung
Kühlen: Kalte Umschläge lindern Schwellung und Juckreiz.
Salben: Eine kortisonhaltige Creme oder ein Antihistamin-Gel kann Entzündungsreaktionen bremsen.
Tablette: Ein Antihistaminikum (z. B. Cetirizin) hilft gegen die allergische Reaktion.
Bei Anaphylaxie: Sofort den Notruf 112 wählen!
Wenn sich Symptome wie Atemnot, Schwindel, Nesselausschlag am ganzen Körper oder Kreislaufprobleme zeigen, liegt eine systemische allergische Reaktion vor.
Akute Erste Hilfe im Notfall
Atmung prüfen: Wenn bewusstlos, stabile Seitenlage einnehmen.
Adrenalin-Autoinjektor anwenden (siehe Anleitung unten).
Herzstillstand? Sofort mit Wiederbelebung (Herzdruckmassage) beginnen.
Vitalzeichen überwachen: Puls, Atmung und Bewusstsein regelmäßig kontrollieren.
Adrenalin-Autoinjektor: Anwendung bei Insektenstich-Allergie
Wann und wie anwenden?
Der Adrenalin-Autoinjektor ist das wichtigste Notfallmittel bei einer Anaphylaxie – also einer schweren, lebensbedrohlichen allergischen Reaktion. Wenn Symptome einer Anaphylaxie auftreten, sollte der Autoinjektor so schnell wie möglich eingesetzt werden.
Wirkung: Adrenalin erweitert die Atemwege, stärkt den Kreislauf und verhindert einen Kreislaufkollaps.
Anwendungsschritte:
Safety-Kappe abziehen.
Spitze des Autoinjektors senkrecht gegen die Außenseite des Oberschenkels drücken (auch durch Kleidung).
Mindestens 3 Sekunden gedrückt halten.
Anwendungslage dokumentieren und sofort einen Arzt oder Rettungsdienst kontaktieren. Eventuell ist eine zweite Injektion nötig.
Hinweis: Personen mit bekannter Insektengiftallergie (vor allem Kinder und Senioren) sollten den Autoinjektor immer bei sich tragen oder ihn bei sich haben, wenn sie betreut werden.
Besondere Vorsicht bei Kindern und älteren Menschen
Unterschiedliche Symptome erkennen
Kinder:
Reagieren häufig mit Unruhe, anhaltendem Weinen, auffälligen Hautreaktionen oder Atembeschwerden. Typische Anzeichen wie Schwindel oder Kreislaufprobleme sind seltener und schwer zu erkennen.
Senioren:
Begleiterkrankungen und Medikamente (z. B. Betablocker) können die Wirkung von Adrenalin abschwächen. Verwirrtheit oder Schwäche wird oft fehlinterpretiert – verzögert die Diagnose.
Wichtig: Bei Verdacht auf schwere allergische Reaktion immer den Notruf 112 wählen und ggf. Adrenalin-Autoinjektor einsetzen.
Vorbeugung – So schützt du dich vor einem Insektenstich
Schutzmaßnahmen und Vorsorge
Die beste Strategie gegen schwere allergische Reaktionen ist, einen Insektenstich möglichst zu vermeiden. Dazu gehören:
Draußen schützende Kleidung tragen, die Arme und Beine bedeckt.
Ruhig bleiben und hektische Bewegungen vermeiden.
Offene süße Getränke und Speisen abdecken.
Müllbehälter verschließen, Insektenfallen außerhalb platzieren.
Fenster und Türen mit Insektengittern sichern.
Für Allergiker:innen zusätzlich wichtig:
Adrenalin-Autoinjektor immer mitführen
Allergiepass und Notfallplan griffbereit haben
Regelmäßige Kontrolle beim Allergologen
Quellen:
Leading Medicine
Guide/Shillage, A. (o.J.): Insect venom allergy – information &
specialists. Online verfügbar unter https://www.leading‑medicine‑guide.com/en/illness/injuries/insect‑venom‑allergy
[Zugriff: 24.06.2025].
gesund.bund.de (o.J.):
Insect venom allergy: symptoms and treatment. Online
verfügbar unter https://gesund.bund.de/en/insect-venom-allergy
[Zugriff: 24.06.2025].
Deutsche Gesellschaft für Allergologie (DGAKI)
et al. (2022): Diagnosis and treatment of Hymenoptera venom allergy,
S2k-Leitlinie. PMC, 2022.
allergiecheck.de (2024): Factsheet:
Insektengiftallergie. Online verfügbar unter https://allergiecheck.de/pages/fakten-zur-allergie
[Zugriff: 24.06.2025].